18 Juni 2006

Der jüdische Friedhof in Währing

Am 18. Juni veranstalteten die Wiener Grünen eine Führung durch den Währinger jüdischen Friedhof (Schrottenbachgasse). Gleich aussen auf dem Tor begegnet man dem landestypischen FPÖ-Antisemitismus: Die Zahl "6" auf obigem Foto steht für den 6. Buchstaben des Alfabets, die Zahl "5" für ein "e". Ergo: FPÖ. Die besondere Perfidie dabei ist, dass "O5" (also "Oe") für den Widerstand gegen den Nationalsozialismus steht. Das Areal ist abgesperrt weil Gruften, die 6 Meter abwärts führen, offen stehen, aber auch um Neonazis und Antisemiten mit Farbspraydosen von den kulturhistorisch wertvollen Monumenten aus Sandstein fernzuhalten.

Die Döblinger Bezirksvertretung (alle Fraktionen!) ersuchte am 6. April Bürgermeister Häupl und Stadtrat Rieder Verhandlungen über die Finanzierung der Restaurierung und Öffnung des "Währinger jüdischen Friedhofs" (er liegt teils in Währing, teils in Döbling) aufzunehmen. Die grüne Gemeinderatsfraktion detto. Seit mehr als 2 Monaten steht eine Antwort aus (die Frist beträgt 2 Monate).
Es gibt 3 jüdische Friedhöfe in Wien: einen öffentlich zugänglichen in der Seegasse im 9. Bezirk (aufgelassen 1784 unter Kaiser Josef II, der Bestattungen innerhalb des dicht besiedelten Stadtgebietes aus hygienischen Gründen untersagte), den "Währinger jüdischen Friedhof", der nach Auflassung des Friedhofes Seegasse außerhalb des damaligen Linienwalls bis 1874 in Betrieb war und der seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert bis heute bestehenden jüdischen Abteilung am Zentralfriedhof (Tore 1 und 4).

Um Interessierten Einblick in den kulturhistorisch bedeutsamen Währinger Friedhof (es ist der einzige erhaltene Biedermeierfriedhof neben St. Marx und dokumentiert den rasanten Aufstieg der Wiener jüdischen Gemeinde im 19. Jahrhundert) zu geben, luden die Währinger und Döblinger Grünen im Mai und Juni gemeinsam zu insgesamt drei Führungen durch das Areal ein.

Also führte uns die Zeithistorikern Tina Walzer am 18. Juni 3 Stunden lang durch den völlig verwilderten Friedhof, in dem man sich derzeit durch Brombeerhecken und meterhohe Brennesselwälder kämpfen muss:

Nach Auflassung der Friedhöfe in den Wiener Vorstädten im Zuge des Baus des Zentralfriedhofes wurden die meisten dieser ehemaligen Begräbnisstätten in Parkanlagen umgewandelt. Da wegen jüdischer Traditionen Gräber unberührt bleiben sollen, wurde aber der jüdische Gräberhain in Währing als solcher erhalten, wobei die sehr liberale Wiener jüdische Gemeinde eine Lindenallee und Rosenhecken auf dem Areal pflanzte, um ihm ein parkähnliches Aussehen zu geben. Der Friedhof war offen zugänglich und erst unter den Nationalsozialisten, die jüdische Friedhöfe systematisch zerstörten (vgl. etwa Frankfurt), drohte dem Währinger Friedhof ernste Gefahr. Es ist einem couragierten Wiener Gemeindebeamten zu verdanken, dass das Areal 1938 nicht zerstört wurde. Dieser Beamte widmete das Areal nämlich kurzerhand in ein Vogelschutzgebiet um und entzog es damit der kafkaesken NS-Bürokratie. Trotzdem wurden Teile des Friedhofs während des 2. Weltkrieges geschändet (Knochen wurden zum Zweck "rassekundlicher" Untersuchungen ausgegraben) und Gräber teilweise zerstört (etwa zur Anlage eines Löschteiches auf einem Teil des Friedhofs auf dem heute der Arthur Schnitzler Hof steht).

Die Wanderung durch das Areal gleicht einer Zeitreise. Neben berühmten Namen wie Wertheimstein, Ephrussi, Eppstein oder Fanny Arnstein, wird man an das bunte Leben einer multikulturellen Großstadt mit all den "kleinen Leuten" erinnert, die dereinst die k.u.k. Reichshaupt- und Residenzstadt Wien ausmachten. Nicht umsonst nennen Juden ihre Friedhöfe "Häuser des Lebens" (Bet Olam). Das Haus des Lebens in Döbling lebt. Dieses Gefühl hatte ich sehr stark als ich dort war.

Besondere Tragik wirft das Verbrechen des Holocaust auf diesen Ort. Nachkommen der Menschen, die hier begraben wurden, gibt es fast nicht mehr. Die allermeisten wurden ermordet und die wenigen, die überlebten, leben heute fern von Wien.

Victor Klemperers Tagebücher 1933-1945 kamen mir bei dem Rundgang immer wieder in den Sinn. Etwa seine Erinnerung daran wie sich die letzten überlebenden Juden 1943 und 1944 auf dem jüdischen Friedhof seiner Heimatstadt trafen, dem letzten Ort, an dem sie sich noch frei bewegen durften, bevor sie von den Nationalsozialisten und ihren willigen Helfern in den Tod geschickt wurden. Lesen! Die 8-bändige Taschenbuchausgabe kostet gerade einmal 12 EUR!

17 Juni 2006

Bacherpark: Ende gut - alles gut!

Ein Sieg der Zivilgesellschaft! Die Bürgerinitiative Bacherpark hat es tatsächlich geschafft! Überall dort wo die von der SPÖ geführte Stadtregierung Bürgerbeteiligung zuläßt, werden die sogenannten "Volksgaragen" von den AnrainerInnen abgelehnt. Zuletzt wurde eine "Volksgarage" in Neubau (Burggasse) abgelehnt, wo die von den Grünen geführte Bezirksregierung - im Gegensatz zum SPÖ-regierten Margareten - von Beginn an auf Bürgerbeteiligung setzte und ziviler Protest nicht nötig war. Nun hat ziviler Widerstand in Margareten den Bacherpark gerettet! Die erkämpfte Anrainerbefragung brachte eine 2/3 Mehrheit gegen den Garagenbau.

So sieht es aus, wenn ein alter Marktplatz in eine Garage umfunktioniert wird (Dornerplatz in Wien Hernals, 2004). Die neuen Bäume werden mangels Erdreich nie wieder so groß und schattenspendend werden wie früher. Heute ist der Dornerplatz eine Asphalt- und Betonwüste, in der man sich im Sommer wegen der flimmernden Hitze kaum bewegen kann trotz gegenteiliger Beteuerung der Gemeinde.
Und wie das bei "Volksgaragen" so ist: Die Gemeinde (also wir SteuerzahlerInnen) schießt einen beträchtlichen Teil der Baukosten zu, der private (!) Betreiber verpflichtet sich, die Preise 10 Jahre lang auf einem "sozialen" Niveau (etwa 70 EUR/Monat) zu halten und erst nach 10 Jahren mit dem Ausbeuten zu beginnen. Allerdings: sind PKWs und Garagen Instrumente der Sozialpolitik? Irgendwas läuft hier in der Wiener "sozialdemokratischen" Partei unrund.

Deshalb: Keine weiteren "Volks-" Garagen unter Parks!

Ausserdem gibt es in der Nähe des Bacherplatzes sowieso eine Garage am Hundsturm und im Schütte-Lihotzky-Park, in denen die Sonne im Sommer mangels großer Bäume unbarmherzig herunter brennt. Ausserdem wird in der nahegelegenen engen Hofmühlgasse im 6. Bezirk seit einem Jahr eifrig an einer weiteren "Volksgarage" gebaut. Offenbar damit das Nadelör Hofmühlgasse noch unwirtlicher wird (dort staut sich jetzt schon der Verkehr jeden Morgen von der Wiener Westeinfahrt und der Wienzeile, ausserdem quälen sich dort die Busse der Linien 13A und 14 A durch).
Der Bacherpark mit seinen alten Bäumen wurde also gerettet. Und das wurde heute ausgiebig gefeiert! Dem Bezirksvorsteher Kurt Wimmer sei ins Stammbuch geschrieben: Das System Volksgarage ist "nicht für die Menschen, sondern für die Autos gemacht" (Hermann Knoflacher). Herr Wimmer ist nun aufgerufen unverzüglich mit der Oberflächengestaltung im Park zu beginnen!

16 Juni 2006

Dubbyah Bush im Anflug

The eagle has (almost) landed... im Wiener Regierungsviertel. George Bush wird also am 20. Juni gegen 22 Uhr in Wien eintreffen. Die Vorbereitungen laufen schon auf Hochtouren. In der Innenstadt werden bereits vorsorglich hunderte Anti-DemonstrantInnen-Tretgitter verteilt, da das "US-Image in Österreich am Tiefpunkt" ist (Schlagzeile der heutigen Wochenendausgabe der Presse) und Demonstrationen mit tausenden TeilnehmerInnen angekündigt sind.

Tretgitter vor dem ÖVP/BZÖ-EU Zirkuszelt und dem Bundeskanzleramt...

...und El Awadallas Protest gegen den Bush-Besuch am Dach ihres Hauses am Wiener Naschmarkt (vielleicht werden wir dieses Bild in Google-Earth auch bald zu sehen bekommen!). Bushs Route wird zwar nicht hier vorbeiführen, allerdings wird die Bush-Heimsuchung andere Teile der Stadt am 21. Juni lahmlegen. Sogar der Stephansplatz wird für einige Stunden abgeriegelt muss doch Missus Bush den Dom und das Restaurant Do&Co im Haas-Haus am Stephansplatz besuchen. Die Geschäftsleute verlangen vom Außenministerium bereits vorsorglich Schadenersatz.
Zum Thema darf ich auf die ausgezeichnete Site Bushflash von Eric Blumrich verweisen!

10 Juni 2006

Samstags in Margareten

Nach einer längeren Pause war ich heute mit dem Fotoapparat im Heimatbezirk Bruno Kreiskys unterwegs. Der 5. Wiener Gemeindebezirk ist einer der städtischsten, dichtest verbauten Gebiete Wiens. Hier leben viele Menschen, die oft verächtlich als "AusländerInnen" bezeichnet werden. In den Schlagzeilen stand Margareten in den letzen Monaten v.a. wegen des Bacherplatzes mitten drinnen im Bezirk. Was sich dort abspielte wird da und dort als "Mini Hainburg" bezeichnet, da sich dort couragierte AnwohnerInnen mittels Parkbesetzung gegen ein fragwürdiges Garagenprojekt der Gemeinde Wien stellten, das einen der wenigen Grünflächen im Bezirk bedroht. Die von ihnen erzwungene Anrainerbefragung, die soeben läuft, schließt nun auch alle ZuwanderInnen ein, die zumindestens 5 Jahre in Österreich leben. Vorbildlich! Trotzdem kommt es auch hier zu Problemen...


Eine Erinnerung an Bruno Kreisky, nach dem erst jüngst ein Park am Margaretengürtel benannt wurde, der früher unter dem Namen "Sankt Johanna Park" firmierte.

Am Siebenbrunnenplatz gabs heute ein lebhaftes Kinderfest...

... während zwei Gassen weiter eine türkische Moschee ein Straßenfest feierte (quasi als Ausgleich zu der im ORF penetrant beworbenen "Langen Nacht" der - ausschließlich christlichen - Kirchen in der Nacht zuvor).

Es gibt auch alte AfrikanerInnen, die Unterstützung und Hilfe brauchen. Nicht jeder Afrikaner ist ein "Drogendealer mit Handy und Designeranzug" (vgl. dazu meinen Eintrag vom 25. Mai), wie die FPÖ gerne behauptet. Also feierte die "Organization for Protection of Old People of Africa Origin - OPOPAO" am Abend im Kongresshaus am Margaretengürtel bis 4 Uhr früh am nächsten Morgen "in di Ghetto". Es traten u.a. auf: "Assurance Band of Vienna" und "UN Soldiers".


Weiter gehts mit der Straßenbahn. Margareten ist ein Arbeiterbezirk, das Café Industrie passt ins Bild. Zwischen den dreispurigen Gürtelfahrbahnen befinden sich "Sportkäfige", die in der Nacht mit Flutlicht ausgeleuchtet, für Fußball, Tischtennis und Basketball zur Verfügung stehen. Heute wurde einer der Sportkäfige in eine Arena für ein Hiphop Konzert für die Second Generation der ZuwanderInnen aus der Türkei und dem ehemaligen Jugoslawien umfunktioniert:

"Tuning the Cage"


Ein "Sportkäfig" am frühen Abend.


Die Band aus Istanbul mit dem Rapper Ceza, dessen Texte sich u.a. gegen die Einschränkungen des religiösen Fundamentalismus richten.


Gut besucht war der "Käfig" allemal.

04 Juni 2006

Zeichen an der Wand: Ein schwarzer Wahlkampf...

Meidling, Margaretengürtel, Mollardgasse und Gumpendorferstraße. Da finden sich einige passende Inspirationen für die Wahlkampfabteilung NullSex der ÖVP. Einfach ehrlich, einfach ÖVP. Sehen Sie selbst:

02 Juni 2006

Otto Glöckel ist wieder da!

Es gibt auch positive Momente in der heimischen Innenpolitik! Denn seit April ist Otto Glöckel wieder da! Die Erinnerungstafel für Glöckel wurde während des Umbaus des ehemaligen Wiener Stadtschulrates in eine Dependence des Parlamentes abgenommen und nicht nur im "Standard" vermutete man, dass dies der endgültige Abschied vom großen sozialdemokratischen Schureformer der Ersten Republik wäre. Für christlich-konservative Kreise stellte Glöckel damals ein rotes Tuch dar, da Kinder, so Glöckels Überzeugung, von klein auf zu Kritikfähigkeit and frei von kirchlichem Einfluss - Stichwort "Glöckel-Erlass"[pdf] - erzogen werden sollten. 1934 wurde er gewaltsam aus dem Stadtschulrat entfernt, in ein austrofaschistisches KZ gesteckt und starb ein Jahr darauf als gebrochener Mann.
Doch nun ist Otto Gloeckel wieder da. Eigentlich schon seit Anfang April - mir fiel die Tafel allerdings erst heute beim Warten auf die Straßenbahn auf, da sie nun - ungewohnt - links vom Portal des Palais Epstein hängt.


01 Juni 2006

3 Jahrzehnte Motz-Art in der Myrthengasse

Mozart. Mozartkugeln. Deconstructing Mozart... Was muss sich dieser Mann alles posthum und postfestum im "Mozartjahr" 2006 von der Stadt gefallen lassen, die ihn vor 215 Jahren in einem Armengrab verscharren ließ? In der Myrthengasse in Wien Neubau hängt seit fast 30 Jahren ein Schild, das auch an meinem Haus hängen könnte und dem Genie Mozart gerechter wird als jedes schicki-Micki-Schnösel-Cocktail, das sich die selbsternannte Schickeria aus Hietzing, Döbling usw. im Namen Mozarts dieses Jahr reinschüttet.

Achtung: kochen Sie Ihr Schweinefleisch immer gut durch, sonst gehts Ihnen wie Mozart vor 215 Jahren!