18 Mai 2006

Das christliche Wien...

Bin heute ein wenig durch die Innere Stadt gegangen und habe endlich die gotische Steintafel am "Haus zum großen Jordan" am Judenplatz fotografiert. Seit mehr als einem halben Jahrtausend hängt dieses denkmalgeschützte Machwerk an dem Ort, wo einer der übelsten Pogrome des Mittelalters zur Ermordung und Vertreibung der damals in Wien lebenden Juden geführt hat. Österreich wurde damals in der jüdischen Welt als "Eretz Hadamim"-"Blutland" bezeichnet und ein Jahrhundert lang siedelten sich auch keine Juden mehr hier an. Die Motive für das Pogrom waren finanzieller und christlicher Natur. Auf der Tafel, die nachwievor ohne Erklärung den Platz verschandelt, steht folgendes:
"Durch den Jordanfluß wird der Leib von Krankheit und Übel gereinigt; da weicht selbst verborgene Sündhaftigkeit. So rast die Flamme sich erhebend durch die Stadt im Jahr 1421 und sühnt die grausamen Verbrechen der hebräischen Hunde. Die Welt wurde einst durch die Deukalionische Flut gereinigt, doch diesmal wurde die Schuld in den Flammen gebüßt."
Gut, dass heute kaum jemand die archaischen Buchstaben mehr lesen kann...

Geht man ein wenig weiter in die Schönlaterngasse, kommt man am "Basiliskenhaus" vorüber, an dessen Fassade eine von den heutigen BewohnerInnen angebrachte Tafel an die von den Nationalsozialisten ermordeten jüdischen BewohnerInnen erinnert. Die Tafel ist mittlerweile mit Glas geschützt, da sie regelmäßig Ziel von Sabotage wird (man erkennt die Attacken an der abbröckelnden Fassadenfarbe und den Schlieren rund um die Tafel). Der Standard berichtete heute über diesen "Tafelsturm". Der (katholisch-) christlich motivierte Antisemitismus ist leider noch allgegenwärtig, wie man den Links im Blog-Text vom 5. Mai entnehmen kann.

Geht man in der Schönlaterngasse weiter, stößt man unweigerlich an das Zentrum der militanten katholischen Gotteskrieger, die Menschen terrorisieren, die einen Schwangerschaftsabbruch in Betracht ziehen. In Wien trieben sie schon 2002 in größerem Stil ihr Unwesen. Trotz verschiedener Maßnahmen der Stadtverwaltung, die diesen Leuten den Aufenthalt vor einer Klinik in der Innenstadt untersagen, trifft man diese unsäglichen Typen mit verkrampft-verkniffenen Gesichtern immer wieder dort an, bis sie von der Polizei weggewiesen werden. Die Aufforderung zum Kirchenaustritt an einer Kirchenwand wenige Schritte vom Unterschlupf dieser "Lebensschützer" ist nur konsequent...

Ah ja, Wahlkampf ist auch. Die Partei der "wehrhaften Christen" (FPÖ) hängte dieser Tage ihre ersten expliziten Wahlkampfplakate aus, in denen sie ankündigt einen EU-Beitritt verhindern zu wollen. Ich dachte, wir wären schon drinnen in der EU... Ich weiss, ich weiss, das ganze ist nur ein Missverständnis, das auf das miese Layout des Effen-Plakates "Duell um Österreich" zurückzuführen ist.

Keine Kommentare: