Wir katholischen Akademiker fühlen uns zutiefst mit dem Volkstum unserer Väter verbunden und in ihm verwurzelt. Wir Kinder jahrhundertealter deutscher Bauernfamilien haben es nicht nötig, erst den Nachweis zu erbringen, dass wir auch deutsch sind. Wir verwahren uns dagegen, dass man den alten Liberalismus, den alten Freisinn mit Deutschtum identifiziert. Auch diejenigen, die vom freisinnigen Liberalismus so rasch zum nationalen Sozialismus hinübergewechselt sind, mögen zur Kenntnis nehmen, dass wir den Ehrentitel deutsch mindestens ebenso wie sie beanspruchen. Sie mögen auch zur Kenntnis nehmen, dass wir als Deutsche allen unseren Brüdern, auch wenn sie nach unserer Meinung Irrwege gehen, uns verantwortlich und irgendwie verbunden fühlen und gern die Hand bieten, um wirklich zu einer lebendigen deutschen Volksgemeinschaft in unserer Heimat zu kommen. (aus: Wir werden ganze Arbeit leisten, Wien 2004, S. 77)
Heute gilt Dollfuß für die ÖVP noch immer als antifaschistischer Widerstandskämpfer. Trotz Verfassungsbruch und Putsch 1934, trotz Aufbau eines Systems, das eng an den italienischen Faschismus angelehnt war, trotz der massiven Schwächung der österreichischen Abwehrkraft gegen den Nationalsozialismus durch die Illegalisierung der Sozialdemokratie, die die einzige Verbündete gegen NS-Deutschland gewesen wäre und trotz seines Deutschnationalismus, der ihn bis zu seinem Ende prägte.
Jedes Jahr legt der ÖVP-Parlamentsklub im Juli einen Kranz zu Ehren des austrofaschistischen Diktators an dessen Grab am Hietzinger Friedhof nieder. Auch die "Junge ÖVP Wien" ehrt Engelbert Dollfuß auf diese Weise, wie die Kranzschleifen zeigen.
Was bedeutete der Austrofaschismus für Wien?
Die Regierung Dollfuß setzte den christlichsozialen Politiker Richard Schmitz als kommissarischen Bürgermeister ein und verringerte die politische Selbständigkeit Wiens, indem man Wien zur "bundesunmittelbaren Stadt" erklärte. Man hob die demokratische "Verfassung der Bundeshauptstadt Wien" aus dem Jahre 1920 auf und ersetzte sie durch eine "Stadtordnung der Bundeshauptstadt Wien". Der 1932 von den Wienern frei gewählte Gemeinderat mit seiner sozialdemokratischen Mehrheit wurde aufgelöst und an seine Stelle trat die "Wiener Bürgerschaft", die nicht aus gewählten, sondern aus ernannten Mitgliedern der verschiedenen "Berufsstände" bestand. Die austrofaschistische Verwaltung schränkte den sozialen Wohnungsbau drastisch ein, errichte zahlreiche neue Kirchen und erhöhte die Mietzinse. Die sozialen Leistungen wurden verringert, Erholungsräume in Gemeindebauten in Kapellen verwandelt und das Steuersystem wurde zugunsten des wohlhabenden Bürgertums verändert.
1 Kommentar:
Naja, was erwartet man sich schon großes vom verlogensten Stand seit eh und je, den Bürgerlichen.
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