03 Juli 2006

Ateliertheater und Universität Wien - ein Nachtrag

Eine Wiener Institution ringt um ihr Leben

Seit wenigen Tagen trägt das Ateliertheater Schwarz. 1932 gegründet ist es eine der ältesten Kleinbühnen Wiens und hat seine Spielstätte im erst vor wenigen Jahren um teures Wiener Steuergeld adaptierten ehemaligen Star-Kino in der Burggasse. So wie es aussieht, will die Gemeinde Wien die Förderungen nun einstellen und den Betrieb damit nach knapp 75 Jahren still legen. Gegen die Schließung protestieren mittlerweile 200 KünstlerInnen, wie das Ateliertheater meldet:
Es gibt bereits 200 Protestunterschriften, darunter die Damen: Jesserer, Pluhar, Hartinger, Küpers, Ott, Haas, Schuchter, Siegl, Turkovic-Wendl, Lukan, Kisbauer, uva. Die Herren: Schenk, Hackl, Bissmeier, Buczolich, Sobotka, Paryla, Turini, Schleyer, Singer, Peichl, Matic, Schulenburg, Erwin Strahl, Krisch, Wilke, Markovics, Holzinger, Uray, Molterer, Schwab, Schweiger...


Von der Universität Wien (Hauptgebäude am Ring) gibt es hingegen Erfreulicheres zu vermelden. Am Donnerstag (29. Juni) gabs in der Aula am späteren Nachmittag kostenlose Getränke, Snacks, freundliche Ansprachen und Jazzmusik aus Anlass der Eröffnung der neu gestalteten Aula. Die Jazzband spielte auf einem Podium, das genau an der Stelle stand, wo sich bis dahin der ominöse "Siegfriedskopf" befand.

Dieser Siegfriedskopf ist ein Kriegerdenkmal, das von den antisemitischen und deutschnationalen Studentenorganisationen am 9. November 1923 in der Aula der Universität aufgestellt und an dem seit Längerem breite und heftige Kritik geübt wurde. Verteidiger des "Siegfriedskopf" fanden sich gerade einmal rechts aussen in Kreisen der FPÖ und der deutschnationalen Burschenschaften. Nun wurde das unwürdige Symbol nationalen Rassenwahns entfernt, um an einem weniger prominenten Ort sein Dasein als museales Objekt zu fristen.

hier vor der Säule stand das deutschnationale Ding bis vor wenigen Tagen...

In ihrer Ausgabe vom 10. November 1923 beschrieb die christlichsoziale Reichspost die gespenstische Enthüllung des "Siegfriedskopfes" (nachzulesen auf der exzellenten Zeitungs-Website der Österreichischen Nationalbibliothek.):
Es war eine überaus eindrucksvolle, erhebende Feier. Das zu ihr geladene Publikum füllte die Aula und die seitlichen Ausgänge bis auf das letzte Plätzchen. Der Hintergrund der Aula war mit schwarzen Tüchern ausgeschlagen, das im rückwärtigen Teil der Mittelhalle aufgestellte Denkmal war mit Kerzenpyramiden, welche die einzige Beleuchtung der Aula bildeten, umgeben. Um halb 7 Uhr erfolgte der Einzug des akademischen Senats und des Professorenkollegiums. Die Spitze des Zuges bildete eine Gruppe nationalsozialistischer Studenten mit Stahlhelmen, dann folgten die Chargierten der katholischen und nationalen Verbindungen mit ihren Bannern und Fahnen, flankiert von Fackelträgern, dahinter schritt der Oberpedell mit den Insignien und schließlich der Rektor Dr. Döller mit den Dekanen Dr. Innitzer, Dr. Sperl, Dr. Süß, Dr. Fischl und Dr. Hofmann (...)
Nun fiel die Hülle des Denkmales unter den Schlussworten Sr. Magnifizenz, welcher auf den Helden Siegfried, das Sinnbild des deutschen Volkes, hinwies. Wie dieser, könne auch das deutsche Volk nicht im ehrlichen Kampf besiegt, sondern nur durch Verrat, Abschließung und Heimtücke zu Fall gebracht werden. Nach dem Chore 'Wir treten zum Beten' hielt cand. rer. pol. Walter Kolbe die Totengedenkrede (...)
Es folgte nun das gemeinsam gesungene Lied 'Deutschland, Deutschland über alles.'

Dafür gibt es heute neue Köpfe in der Aula zu sehen: Die Nobelpreisträger (keine Frauen darunter...) der Universität Wien. Und die neu gestalteten Seitenwände der Aula sind nun den Menschenrechten, der Freiheit der Wissenschaft und dem Antirassimus gewidmet. Auch wenn das den nachwievor existenten deutschnationalen Burschenschaftern weniger gefallen mag.


So, und nun gehts in den Urlaub! Ich wünsche allen LeserInnen erholsame Ferien!

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