24 Juni 2008

UEFA-Fussball-Europameisterschaft: "Und willst du nicht mein Bruder sein..."

Heute habe ich mir das Buch des Historikers Timothy Garton Ash "Und willst du nicht mein Bruder sein - Die DDR heute" (Hamburg 1983) wieder einmal zur Hand genommen und fühlte mich bei der Lektüre unweigerlich an das von der UEFA teilbesetzte Wien erinnert. Denn mitten durch Wien verläuft eine Mauer, die von strengen Volkspolizisten (VoPos) kontrolliert wird. Hinüber in die "Zone" ("Fanzone" nennt sie die Besatzungsmacht UEFA) darf man nur mit Erlaubnis dieser VoPos, wird von ihnen vor der Einreise abgetastet, darf eine lange Liste verschiedenster Dinge nicht mitnehmen und ist der Volkspolizei am Grenzübergang völlig ausgeliefert. Ich habe mir deshalb die Reise "nach drüben" erst einmal angetan... Aber - wie man munkelt - soll die Mauer ja sehr bald fallen.

Die Wiener UEFA-Mauer wankt... Hier die (hoffentlich) letzen Bilder aus einer geteilten Stadt:
Wien - Geteilte Stadt - die Wiener Mauer


(auf die Bilder klicken, um sie zu vergrößern!)

Grenzkontrolle am Checkpoint Karli. Hier geht es immer herb zu, da der Übergang ein innerwienerischer ist. Drohend und sächselnd nähert sich der Volkspolizist aus der Ostzone, doch ich bin im sicheren Westen. Er kann mir nichts anhaben.


Einreisewillige, die ihre Verwandten besuchen wollen, werden penibel nach konterrevolutionärem Material durchsucht. Tragisch ist, dass den Zonen-Touris alles mögliche abgenommen wird (Feindpropaganda von Unternehmen, die der UEFA nicht passen, kleine Regenschirme, Lebensmittel, die es "drüben" nicht gibt bzw. geben darf, Wasserflaschen, die vor der Einreise entweder ausgetrunken oder abgegeben werden müssen usw. usf.) und trotzdem ihre Angehörigen bloß auf Video-Bildschirmen zu sehen bekommen, denen sie deshalb nur virtuell zuwinken und Aufmunterungen entgegenrufen dürfen.



Besonders hinterlistig ist das "Depot"-System der Ostzone. Die UEFA-Besatzungsmacht nimmt nur "Wertsachen" an, am liebsten Devisen wie der englische Schriftzug insinuiert. Da die wenigen Ausreisepunkte gut versteckt liegen und lange Wege zu den jeweiligen Depots bedingen, bleibt manches liegen (so dürfte dieses System dem alten "Zwangsumtauschsystem" der DDR überlegen sein).


Einmal drüben in der Zone ist der reale Sozialismus aber verwirklicht: alles schmeckt gleich "gut", kostet dasselbe und heisst sogar gleich - allerdings in Ost-Euro; das heisst, dass ein Zonen-Bier inkl. Einsatz in Ost-Euro 5,- kostet, aber nur 0,70 West-Euro wert ist, misst man den Preis an den ganz wenige in West-Wien verfügbaren Verkaufsstellen für Zonen-Carlsberg-Bier).



"Goon Towers" - So nannten die amerikanischen Kriegsgefangenen die Wachtürme der Deutschen im Zweiten Weltkrieg. So nannten sie auch die Türme, die die Ostdeutschen nach 1961 entlang der innerdeutschen Grenze aufbauten; und so schauen sie heute auch in Wien aus. Im Bild oben ist der Kommando-Turm im Volksgarten zu sehen. Bezeichnenderweise wurde der Volksgarten von der Volkspolizei unter Beschlag genommen und ist den ostwiener-"Zonis" natürlich nicht zugänglich. Heute erfreuen sich dort Volkspolizisten und höhere UEFA-Politbüromitarbeiter mit ihren Freunden.



Ein weiterer "Goon Tower" mit privilegierten Gästen auf der Ausichtsplattform, die über den antifaschistischen UEFA-Schutzwall hinaus nach Westen blicken. Ein Mauerspechtler, der sich ohne Leibesvisitation einen Eindruck vom real existierenden UEFA-ismus vermitteln will. Weiter unten sehen sie die zahlreichen Einreiserestriktionen der UEFA-isten:



Die Volkspolizei im Volksgarten hat natürlich spezielle Sicherheitsvorkehrungen. Neben der Aussenmauer, gibt es sogar eine innere Mauer, wie das untere Foto belegt. Auf besonders sichere Schlösser wird großer Wert gelegt.Auch der Funkverkehr wird besonders berücksichtigt. Die UEFA-Propagandamaschine arbeitet auf Hochtouren wie weiland Radio Moskau oder die "Stimme der DDR". NormalbürgerInnen von Ostwien dürfen jedenfalls nicht in dieses Gebiet; während wir Westwiener zumindestens einen Blick drauf werfen dürfen...

Ein Zoni blickt aus Ostwien auf einen österreichischen Polizisten, der in der Reichsratsstraße patrouilliert. Unten sehen sie Straßensperren, die die Hofburg von den Museen trennen, die Sraßenbahngleise verrosten lassen... und die dafür verantwortlichen Volkspolizisten.









Österreichische Polizei (darunter auch eine Kofferraumladung in einem Bus) muss natürlich auch nach dem Rechten sehen; denn die Volkspolizei ist unberechenbar.



Die Wiener Mauer am Ring (Universität, Burgtheater), beim Burgtheater und der Universität (Grillparzerstraße):




Die Panzersperren am Ring. Es könnte ja sein, dass jemand unerlaubterweise ein Bild innerhalb Ostwiens macht, dieses Bild entführt und anschließend publiziert... So etwas müsste aufgrund des Urheberrechte-Viermächteabkommens verfolgt werden, daher die martialischen Panzersperren auf der ehemaligen Ringstraße, um unbotmäßige JournalistInnen zu verfolgen.

"Österreich muss wiedervereinigt werden!" Einer der vielen unbotmäßigen Journalisten, die vor der Mauer berichten, setzt sich für die Freiheit von der UEFA-Besetzung ein.

Zum Abschluss: Ein Blick von aussen in die UEFA-Fanzone hinein: niemand da. Alle verstecken sich, keiner traut sich an die Öffentlichkeit...


Ja, auch ich war einmal "DRÜBEN". Ich habe alles zu Hause gelassen, wass die Volkspolizisten gestört haben könnte und bin rüber gegangen... Der Bericht dazu demnächst (ev. zum Finale, wenn die Mauer fällt).

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

ist ja schlimm.
ich bin im ausland und haett mir das gar nicht so heftig vorgestellt. mit sichtbarrieren etc.
nja, trotzdem finde ich den ddr vergleich (politische repression etc.) nicht ganz treffend.

schaffnerlos hat gesagt…

zur DDR: ist ja auch *satire*. allerdings sächseln die "securities" schon wie weiland honecker...