21 September 2006

Das konservative Weltbild im Postkastl


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SPÖ und ÖVP schicken derzeit Briefe an die WienerInnen aus. Jede und jeder bekommt sie, soferne sie/er im Wählerverzeichnis steht (von da haben die Parteien die Adressen wohl - auf DVR Nummern bzw. einen Hinweis auf die Datenquelle verzichten die Herrschaften nonchalant). Auf den ersten Blick wirkt ein Brief wie der andere. Bei der SPÖ ist es tatsächlich so. Aber es wäre nicht die ÖVP, würde sie nicht auch einen simplen Wahl-Bettelbrief kunstvoll inszenieren, so wie sie den ganzen Wahlkampf wie eine schlechte Schmierenkomödie inszeniert hat: Hinhaltetaktik hinsichtlich des Wahltermines, anti-SPÖ Vorwahlkampf – wir erinnern uns an die gehässigen gelb-roten Gusenbauer-Karikaturen auf Plakaten im Sommer, die seltsame Flöttel-Indiskretionen, die Inszenierung der Sommergespräche bis hin zur Sesselprobe für Herrn Schüssel usw.

Der ÖVP-Brief kursiert nämlich – anders als der der SPÖ – in zwei Versionen: in einer Frauen-Ausgabe und in einer Männer-Ausgabe. Beide bedienen die konservativen Klischees. Hier die Unterschiede:

Frauen-Brief:

"Aber was wäre geschen, wenn wir das Pensionssystem nicht reformiert hätten? Was, wenn wir die Steuern für Familien nicht gesenkt oder die Chancen, die Europa unserer Jugend bietet nicht genutzt hätten?

Höhere Mindestpensionen, bessere Anrechnung von Kindererziehungszeiten oder das Kinderbetreuungsgeld machen Österreich heute zum Vorbild für Europa. Österreich steht heute für ein modernes europäisches Lebensmodell – ein großes Anliegen unserer Außenministerin Ursula Plassnik.

Verlässliche Politik braucht keine leichtfertigen Versprechungen oder unfinanzierbare Forderungen. Und weil ich will, dass Österreich sicher, sozial und leistungsstark
[Hervorhebung im Original]
bleibt, gibt es klare Schwerpunkte:

Arbeitsplätze: ...
Kinder & Familie: ...
Sicherheit: ...
Entlastung: ..."

[man beachte die Reihenfolge!]


Männer-Brief:
"Aber was wäre geschen, wenn wir zum Beispiel die alte Schuldenpolitik nicht gestoppt oder das Pensionssystem nicht reformiert hätten? Wir haben gut gewirtschaftet und so die Rahmenbedingungen gesetzt, damit die Wirtschaft wächst und die Arbeitslosigkeit sinkt.

Verlässliche Politik braucht keine leichtfertigen Versprechungen oder unfinanzierbare Forderungen. Und weil ich will, dass Österreich
sicher, sozial und leistungsstark
[Hervorhebung im Original] bleibt, gibt es klare Schwerpunkte:

Sicherheit: ...
Arbeitsplätze: ...
Kinder & Familie: ...
Entlastung: ..."

[man beachte die Reihenfolge!]

So werden Frauen wieder auf Familie, Kinder, Kindererziehung und Mindestpensionen festgelegt, während in der Prioritätenliste des konservativen Mannes Kinder und Familie erst auf Platz 3 weit hinter dem offenbar drängendsten Problem "Sicherheit" rangieren. Frauen werden mit dem vorgeblich "modernen Lebensmodell Österreich" abgespeist, für das die Frau Plassnik stehen soll, während sich der konservative Mann um das knallharte "Wirtschaften", das "Wirtschaftswachstum" und die "Arbeitslosigkeit" kümmert.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

und ich dachte, dieser brief wär´ unisex, naiv von mir das anzunehmen, ganz schön raffiniert, unser kanzler...

Anonym hat gesagt…

Vielen Dank, dass Sie die beiden Briefe nebeneinandergestellt haben! Sehr interessant, wie genau die politische Zielgruppen-Werbung mittlerweile unterscheidet.

Anonym hat gesagt…

DANKE für diese genial Gegenüberstellung!
"Weil er es kann" war anscheinend doch nicht genug(was eigentlich?)